Wenn Gott… warum Leid…?
Die Frage, warum Gott Leid zulässt, stellen Skeptiker und Atheisten den Christen seit den ersten Jahrhunderten. Das Theodizee-Problem ist eines der wenigen Argumente, die Atheisten vorbringen, um ihrer Beweispflicht für die Behauptung nachzukommen, dass Gott nicht existiert. Im folgenden will ich also die Frage beantworten: Wenn Gott… warum Leid…?
Bevor ich aber auf die Frage nach dem Leid eine Antwort gebe, sollten wir erst einmal das Argument korrekt verstehen.
Das Theodizee-Problem
(1) Wenn Gott existiert, dann ist er allmächtig und allgütig.
(2) Wenn Gott allmächtig ist, dann kann er das Leid in der Welt beenden.
(3) Wenn Gott allgütig ist, dann will er nicht, dass Leid in der Welt herrscht.
In diesen drei Prämissen stimmen Atheisten und Christen überein. Es wird ja keine Aussage getroffen, dass Gott existiert, sondern nur Feststellungen gemacht, wenn er existiert. Atheisten ziehen aus den drei Prämissen nun den Folgenden Schluss:
(4) Da es offensichtlich Leid in der Welt gibt, ist Gott entweder nicht allmächtig, und kann es nicht beenden, oder er ist nicht allgütig, und will es nicht beenden. Daher existiert er nicht.
Das schaut in sich auf den ersten Blick sehr schlüssig aus. Wenn Gott allmächtig und allgütig ist, dann muss er das Leid in der Welt mit einem Fingerschnipsen beenden können.
Das ist bei weitem kein neues Problem. Der Kirchenvater Lactantius antwortete bereits im 3. Jahrhundert darauf.
Ein ganzes Buch der Bibel ist dem Thema gewidmet, dass gottesgläubigen Menschen Leid widerfährt. Das Buch Hiob fällt aber eher dadurch auf, dass Hiobs Freunde am Ende von Gott wegen ihrer falschen Antworten von Gott gerügt werden, weil sie z.B. zu Hiob gesagt haben: „Hiob, Du erfährst Dein Leid wegen Deiner Sünden.“
Das Problem wird auch Theodizee-Problem genannt. Theodizee ist griechisch, und bedeutet „Gottes Gerechtigkeit“. Das Theodizee-Problem ist also das Problem der Gerechtigkeit Gottes.
Gibt es einen freien Willen?
Das Theodizee-Problem ist ganz eng verknüpft mit der Frage des freien Willens. Haben wir einen freien Willen, oder ist jede von unseren Handlungen determiniert, und jeder Gedanke nichts als neuronale Aktivität?
Viele Atheisten haben ein streng naturalistisches oder materialistisches Weltbild. Sie gehen davon aus, dass nichts Immaterielles existiert. Ein freier Wille wäre allerdings immateriell. Diese Atheisten lehnen daher die Existenz des freien Willens ab.
Aber bei der Frage nach dem Leid muss diese Annahme fallen gelassen werden. Der Atheist will hier einen Beleg liefern, dass Gott nicht existiert. Also darf er in die Prämisse nicht bereits die Nichtexistenz von immateriellen oder übernatürlichen Dingen komplett ausschließen. Denn sas ist es, was er beweisen will. Wenn er in der Argumentation a priori davon ausgeht, dann entsteht ein zirkuläres Argument.
Das viel gravierendere Problem bei einer materialistischen Betrachtungsweise ist jedoch, dass Leid in dem Fall lediglich eine Gehirnaktivität des Leidtragenden ist. Leiden wäre also nichts Schlimmes oder Schlechtes, weil es sich auf rein materialistsicher Ebene nicht definieren lässt, was gut und was schlecht ist.
Die christliche Sichtweise des freien Willens andererseits ist klar. Das Christentum lehrt, dass der Mensch einen freien Willen hat. Jesus hat gesagt:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand. (Matthäus 22:37)
Gott wünscht sich also von uns, dass wie ihn lieben. Das setzt voraus, dass er uns auch die Fähigkeit gegeben hat, ihn zu lieben. Liebe ohne einen freien Willen wäre unmöglich. Gott hat uns nicht als feuchte Roboter geschaffen, die entweder programmiert sind, ihn zu lieben, oder ihn abzulehnen.
Sind wir feuchte Roboter?
Stell Dir vor, Dein Freund oder Deine Freundin, oder Dein Ehepartner wäre nichts weiter als ein feuchter Roboter. Fragst Du ihn oder sie: „Liebst Du mich“, dann kommt auf jeden Fall die determinierte Antwort: „Ja, ich liebe Dich“. Oder Du sagst zu ihm oder ihr: „Gib mir einen Kuss“. Und dann gibt er oder sie Dir einen Kuss.
Das würde vieles auf den ersten Blick einfacher machen. Aber wäre das wirklich so cool? Ist es Liebe, wenn ein feuchter Roboter Dir antwortet: „Ich liebe Dich“?
Nein, natürlich nicht. So eine Antwort wäre bedeutungslos und nichtssagend. Genauso ist es zwischen Gott und uns. Wenn er uns sagt, dass er möchte, dass wir ihn lieben, und unsere Reaktion darauf wäre prädestiniert und determiniert, und geschieht nicht aus freiem Willen, dann ist sie bedeutungslos. Das ist dann keine Liebe.
Eine Welt ohne freien Willen wäre also eine Welt ohne Liebe.
Aber mit so einem freien Willen lassen sich auch andere Dinge anstellen. Ich könnte zum Beispiel aus freiem Willen Dir einmal kräftig in den Hintern treten. Und das würde schmerzen. Damit würde ich Dir Leid verursachen.
Freier Wille, Liebe und Leid
Ein freier Wille sorgt also nicht nur dafür, dass Liebe überhaupt erst möglich wird. Ein freier Wille sorgt ebenso dafür, dass wir Böses tun können. Wir können ihn dazu benutzen, anderen Leid zuzufügen.
Aber warum hat Gott uns dann nicht nur einen eingeschränkten freien Willen gegeben, um Gutes zu tun, und um zu lieben, aber nicht Böses zu tun und anderen Leid zuzufügen?
So etwas wie „ein bisschen freier Wille“ gibt es genau so wenig wie „ein bisschen schwanger“. Freien Willen gibt es nur im Gesamtpaket. Und die Geschichte lehrt uns, dass es keine Grenzen gibt, die die Menschen nicht überschritten haben, um frei zu entscheiden, anderen unsägliches Leid zuzufügen.
Aber selbst diese Massenmörder haben nicht alle Morde mit den eigenen Händen begangen.
Hannah Arendt schrieb über Adolf Eichmann:
Das Problem mit Eichmann war genau, dass so viele wie er waren und dass diese Vielen weder pervers noch sadistisch waren, dass sie schrecklich und erschreckend normal waren und es immer noch sind. Diese Normalität war aus Sicht unserer Rechtsinstitutionen und unserer moralischen Urteilsgewohnheiten weitaus furchterregender als all die Gräueltaten zusammen.
Der freie Wille hat einen Preis.
Die Ursache für nicht-menschengemachtes Leid
Aber es gibt nicht nur menschengemachtes Leid. Auch Krankheiten, Unfälle und Naturkatastrophen fordern ihren Tribut.
Jedes Jahr sterben tausende Kinder weltweit an Leukämie. Der Tsunami im Jahr 2004 forderte mehr als 100000 Todesopfer. In Afrika hungern jeden Tag mehr als 200 Millionen Menschen. Kaum ein Tag vergeht, an dem keine neue humanitäre Katastrophe geschieht. Da ist die Frage berechtigt, warum Gott das zulässt. Diese Dinge sind kein Resultat des freien Willens. Kein Mensch will, dass Kinder an Leukämie sterben, oder Menschen in Afrika verhungern.
Um das zu verstehen, schauen wir in die Bibel. Als Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden, da sie Gottes Gebote missachtet und Schuld auf sich geladen hatten, sagte Gott zu ihnen:
Verflucht ist der Erdboden um deinetwillen, mit Mühsal wirst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln wird er dir tragen, und das Kraut des Feldes wirst du essen. Im Schweiss deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst, denn von ihm bist du genommen. Denn Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück. (Genesis 3:17-19)
Wenn uns die ganzen Katastrophen und Krankheiten als etwas Falsches erscheinen, das nicht in die Schöpfung gehört, dann liegt das daran, dass das alles ursprünglich nicht Teil der Schöpfung war. Das nicht durch Menschen verursachte Leid ist mit diesem Fluch in die Welt gekommen.
Falls nun der Einwand kommt, dass es sich bei Adam und Eva und der Vertreibung aus dem Paradies nur um einen Mythos handelt, darauf werde ich in einem späteren Beitrag eingehen. Für die Frage, warum Gott Leid zulässt, muss an dieser Stelle das Material genügen, das wir von ihm erhalten haben, sofern es in sich konsistent ist – was ich hier in diesem Beitrag zeige.
Warum verhindert Gott kein Leid?
Die Ursprünge des menschengemachten und nicht-menschengemachten Leides sind so weit geklärt. Im der zweiten Hälfte des Beitrages ich darauf eingehen, warum Gott dieses ganze Leid heute und jetzt nicht verhindert oder beendet. Denn die Prämisse besteht weiterhin: Ein allgütiger Gott möchte nicht, dass Leid in der Welt herrscht.
Aber die Schlussfolgerung der Atheisten ist falsch.
Es folgt eben nicht, dass Gott untätig ist, und es ihn daher nicht gibt.
Es folgt stattdessen, dass Gott das Leid und das Böse ein für alle Mal besiegen und beenden wird. In der Offenbarung heißt es:
Und abwischen wird er jede Träne von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, und kein Leid, kein Geschrei und keine Mühsal wird mehr sein; denn was zuerst war, ist vergangen. (Offenbarung 21:4)
Warum hat Gott nicht direkt die Ewigkeit geschaffen?
Aber warum hat Gott dann nicht direkt die Ewigkeit erschaffen, ohne dass wir hier im Diesseits vorher den ganzen Mist mitmachen müssen?
Schauen wir auch dazu in die Bibel.
Wenn auch unser äusserer Mensch verbraucht wird, so wird doch unser innerer Mensch Tag für Tag erneuert. Denn die Last unserer jetzigen Bedrängnis wiegt leicht und bringt uns eine weit über jedes Mass hinausgehende, unendliche Fülle an Herrlichkeit, wenn wir nicht auf das Sichtbare schauen, sondern auf das Unsichtbare. Denn das Sichtbare gehört dem Augenblick, das Unsichtbare aber ist ewig. (2. Korinther 4:16-18)
Was auf den ersten Blick eine Vertröstung aufs Jenseits zu sein scheint hat eigentlich eine komplett andere Aussage.
Die Last der Bedrängnis, also das Leid, bringt uns die Herrlichkeit, die wir im Jenseits erfahren. Das heißt, das Leid ist ursächlich für eine kommende Welt ohne Leid und ohne Schmerz, die in der Offenbarung beschrieben wird. Mit einer Einschränkung. Das gilt natürlich nur für diejenigen, die sich dafür entscheiden, die Ewigkeit in Gottes Gegenwart zu verbringen. Dass das nicht ungerecht ist, habe ich in einem anderen Beitrag bereits erklärt.
Aber wie kann eine Welt, in der es Leid gibt, ursächlich für die kommende Welt ohne Leid sein? Ganz einfach, die Entscheidung für oder gegen Gott ist nur dann möglich, wenn wir auch den freien Willen haben, uns gegen ihn zu entscheiden. Und wie wir gerade gesehen haben, hat diese Entscheidung gegen Gott als direkte oder indirekte Auswirkung das Leid in der Welt zur Folge.
Haben wir in der Ewigkeit keinen freien Willen mehr?
Sind wir in der Ewigkeit dann doch alle feuchte Roboter? Also nimmt Gott uns im Jenseits den freien Willen wieder weg, so dass wir kein Leid mehr verursachen können?
Der freie Wille macht uns als Meschen aus. Ohne freien Willen sind wir keine richtigen Menschen mehr. Außerdem haben wir vorher gesehen, dass wir ohne einen freien Willen nicht mehr Gottes Gebot erfüllen können, ihn zu lieben. Daher behalten wir auch in der Ewigkeit unseren freien Willen. Gott nimmt ihn uns nicht weg, und wir verlieren ihn nicht im Himmel.
Aber wir werden ihn nicht mehr dazu benutzen, um anderen Leid zuzufügen. Zur Veranschaulichung: Jeder von uns hat den freien Willen, entweder Babys zu Tode zu foltern, oder dies nicht zu tun. Und jeder von uns trifft die freie Entscheidung, dies nicht zu tun. Und genau so werden wir in der Ewigkeit in Gottes Gegenwart die freie Entscheidung haben, gegen seine Gebote zu verstoßen und Leid zu verursachen, werden es aber genauso wenig tun, wie hier im Diesseits Babys zu Tode zu foltern.
Auch dies bestätigt die Bibel in zahlreichen Textstellen:
Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel und werden so verwandelt in die Gestalt, die er schon hat, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie der Herr des Geistes es wirkt. (2. Korinther 3:18)
Ihr Lieben, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht zutage getreten, was wir sein werden. Wir wissen aber, dass wir, wenn es zutage tritt, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist. (1. Johannes 3:2)
Hätte Gott die Welt nicht besser schaffen können?
In den Diskussionen in den Kommentaren gab es immer wieder das Argument, dass Gott doch eine bessere Welt hätte schaffen können, wenn er z.B. die Menschen weniger aggressiv gemacht hätte.
Zu diesen Fragen gibt Gott eine sehr konkrete Antwort an Hiob, und an Hiobs Freunde, die Gott für das Leid anklagten, das er zugelassen hat.
Wer behauptet, mein Walten sei finster, und redet ohne Einsicht? Gürte deine Lenden wie ein Mann, dann will ich dich fragen, und du lehre mich! Wo warst du, als ich die Erde gegründet habe? Rede, wenn du es weisst! Wer hat ihre Masse bestimmt? Weisst du es? Und wer hat die Messschnur über sie gespannt? Und wer hat das Meer mit Toren verschlossen, als es hervorbrach aus dem Mutterschoss? Haben sich dir die Tore des Todes aufgetan, und hast du die Tore der Finsternis gesehen? Hast du ermessen, wie weit die Erde ist? Rede, wenn du das alles weisst! Wo ist der Weg zur Wohnung des Lichts, und wo hat die Finsternis ihren Ort? Kannst du sie in ihr Gebiet begleiten, und kennst du die Wege zu ihrem Haus? Du weisst es, du wurdest ja damals geboren, und gross ist die Zahl deiner Tage! Will der Besserwisser mit Schaddai streiten? Wer Gott anklagen will, der antworte nun! Willst du wirklich mein Recht bestreiten, mich schuldig sprechen, damit du Recht bekommst?“ (Hiob 38-40; auszugsweise)
Auch Jesus sprach deutliche Worte, als er auf ein paar Galiläer angesprochen wurde, die von Pontius Pilatus hingerichtet wurden:
Meint ihr, diese Galiläer seien grössere Sünder gewesen als alle anderen Galiläer, weil ihnen dies widerfahren ist? Nein, sage ich euch; aber wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle ebenso zugrunde gehen. Oder jene achtzehn, auf die der Turm am Teich Schiloach stürzte und sie tötete, meint ihr, sie seien schuldiger gewesen als alle anderen Bewohner Jerusalems? Nein, sage ich euch; aber wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle ebenso zugrunde gehen. (Lukas 13:2-5)
Umkehr statt Besserwisserei
Besserwissermentalität nützt also gar nichts. Vor allem dann, wenn man meint, man hätte eine bessere Welt schaffen können als Gott. Die Antwort darauf ist ganz klar. Anstatt darüber zu lamentieren, wie Du einen besseren Job als Gott gemacht hättest, wäre es besser, zu ihm umzukehren.
Quellen: The Harvest Handbook of Apologetics und andere