Fehler und Widersprüche in der Bibel

Die Bibel. Kein anderes Buch hat jemals für mehr Kontroversen gesorgt. Für manche ist sie ein Märchenbuch, dass von vorne bis hinten voll mit Widersprüchen ist, für andere, das fehlerlose Wort Gottes. In dieser zweiwöchentlichen Serie untersuchen wir die angeblichen Fehler und Widersprüche in der Bibel, und prüfen, ob es wirklich Widersprüche sind, oder ob es vielleicht sehr einleuchtende Erklärungen gibt.

 

 

Kritiker setzen meist auf Masse anstatt auf Klasse, und wenn sie Beispiele von angeblichen Fehlern bringen, sind es meist dutzende von echt lahmen Beispielen, wo man bei den meisten nur kurz nachdenken muss, um sie aufzulösen.

Wenn Ihr irgendwelche Fehler in der Bibel kennt oder entdeckt, lasst es mich in den Kommentaren wissen. Ich behandle sie dann in zukünftigen Videos. Wenn Ihr mehrere habt, wählt nur den besten aus. Denn wenn der beste gelöst werden kann, dann der zweitbeste und alle folgenden erst recht.

Der erste Bibel-Fehler, den wir hier in der Serie untersuchen, ist der, dass Jesus zwei verschiedene Stammbäume hat. Matthäus und Lukas geben uns jeweils unterschiedliche Ahnentafeln. Dies ist definitiv keines von den lahmen Beispielen, weil es augenscheinlich ein unauflösbarer Widerspruch ist. Aber die Auflösung schieben wir auf. Sie kommt erst in zwei Wochen im nächsten Teil der Serie. Denn heute ist die Frage erst einmal: „Was wäre denn so schlimm an einem Fehler?“

In 2. Tim. 3:16 schreibt Paulus: „Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Zurechtweisung, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit.“

Damit bekräftigt die Bibel, dass nicht nur der jeweilige Autor von Gott inspiriert ist, sondern das geschriebene Wort selbst. Gott macht keine Fehler. Ein demonstrierbarer unauflöslicher Fehler hätte also zur Folge, dass es eine Angriffsfläche gäbe, dass die Bibel nicht Gottes Wort ist.

Achtung, Fundamentalismus!

Die Behauptung, dass die Bibel irrtumslos ist wird häufig mit Fundamentalismus gleichgesetzt, und zwar mit Fundamentalismus im negativ möglichsten Sinn. Das habe ich mehrfach in Kommentar-Schlachten auf Facebook erlebt.

Aus mir nicht erklärlichen Gründen wird die Behauptung, dass die Bibel irrtumslos ist, häufig damit gleichgesetzt, dass man sich wortwörtlich an alle Vorschriften zu halten haben muss. Insbesondere die Vorschriften aus dem Alten Testament werden hervorgeholt, wie zum Beispiel, dass man seine Kinder mit der Rute züchtigen muss, Sklaverei und die Todesstrafe befürworten, und Angehörige anderer Religionen vertreiben und töten soll.

Beziehungsweise, im Umkehrschluss, weil man sich nicht an die Gebote des Alten Testamentes wortwörtlich halten muss, darum kann die Bibel nicht irrtumslos sein.

Das ist natürlich Blödsinn. Ob die Bibel irrtumslos ist und ob man sich wortwörtlich an alle Gebote halten muss, das hat einfach nichts miteinander zu tun. Es gibt keinen logischen Zusammenhang dazwischen.

Welche Auslegung der Bibel ist nun korrekt?

Auch bekomme ich immer zu hören, dass die Bibel nicht irrtumslos sein kann, weil man nicht immer weiß, welche Interpretation richtig ist. Ich frage mich, woher dieser doch weit verbreitete logische Nonsens seinen Ursprung hat… Natürlich weiß man manchmal nicht, welche Interpretation richtig ist. Die Theologen streiten über manche Auslegungen seit Jahrhunderten oder noch länger. Eine Interpretation ist ja auch nicht irrtumslos.

Ich würde sogar so weit gehen, wenn jemand behauptet, dass er eine irrtumslose Interpretation der Bibel hat, dass er diese dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerade nicht hat. Vor so einer Person und ihrer Lehre muss man sich stark in Acht nehmen.

Das sagt aber nichts über die Irrtumslosigkeit der Bibel aus. Auch hier gibt es keinen logischen Zusammenhang. Die Bibel kann genauso gut irrtumslos sein, wenn kein Mensch eine 100% irrtumslose Auslegung kennt.

Andere behaupten wiederum, dass die Bibel nur bei geistlichen Themen irrtumslos ist, in anderen Bereichen aber unzuverlässig. Die Bibel ist im Wesentlichen natürlich ein geistliches Buch. Das heißt aber nicht, wenn sie eine naturwissenschaftliche Aussage macht, dass diese dann fehlerhaft sein kann. Jesus schließt dieses in Joh. 3:12 sogar explizit aus. „Wenn ich vom Irdischen zu euch rede, und ihr glaubt nicht, wie werdet ihr da glauben, wenn ich vom Himmlischen zu euch rede?“

Und Recht hat er. Wenn sich Fehler und Widersprüche in den irdischen Aussagen der Bibel finden, welchen Grund gibt es dann, den geistlichen Aussagen zu vertrauen?

Eine kurze Geschichte der Irrtumslosigkeit

Augustinus zur Irrtumslosigkeit der Bibel

Die Irrtumslosigkeit der Bibel ist keine moderne fundamentalistische Erfindung. Sie war von Anfang an die Lehre der Kirche. Der Kirchenvater Augustinus schrieb: „Wenn wir durch einen offensichtlichen Widerspruch in der Schrift verwirrt sind, darf man nicht sagen: Der Autor dieses Buches täuscht sich; sondern entweder ist das Manuskript fehlerhaft, oder die Übersetzung ist falsch, oder du hast es nicht verstanden.“

Im Jahr 1978 ist in Chicago die Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel verfasst worden. Die Erklärung erhebt für sich selbst natürlich nicht den Anspruch auf Irrtumslosigkeit. Sie ist aber eine gute Arbeitsgrundlage. Sie verdeutlicht beispielsweise, dass die Bibel literarische Stilmittel und Formen verwendet. Wenn Jesus z.B. sagt, „Ich bin die Tür“, dann heißt das nicht, dass er ein Brett aus Holz ist. Nicht immer sind Metaphern und andere Stilmittel so leicht zu erkennen wie dieses.

Es sind nur die Urtexte irrtumslos und inspiriert, nicht aber notwendigerweise Abschriften und Übersetzungen. Damit werden schon mal diejenigen von den angeblichen Fehlern in der Bibel hinfällig, die nur in der deutschen Übersetzung auftreten, nicht aber im Urtext.

Die Historisch-Kritische Theologie

Und die Chicago-Erklärung lehnt die historisch-kritische Theologie ab. Diese geht vom Grundgedanken schon davon aus, dass die Bibel ein fehlerhaftes und rein menschliches Werk ist. Sie schreibt die einzelnen biblischen Bücher nicht einmal ihren traditionellen Verfassern zu. Dass daraus nichts Gutes kommen kann, sollte direkt klar sein.

Aber die historisch-kritische Methode, ist das nicht die Standard-Lehrmethode an den theologischen Fakultäten? Ganz genau. Rudolf Bultmann war einer der großen Verfechter der historisch-kritischen Forschung, und sein Name ist mit ihr bis heute unzertrennlich verbunden. In seiner Karriere als Theologie-Professor hat er sich die Entmythologisierung der Bibel zum Ziel gesetzt, also die Trennung des angeblichen „wahren Kernes“ der Bibel vom großen Rest, der aus unwahren Mythen besteht.

Bultmanns Doktorandin, Eta Linnemann, war also ganz nah dran an der Forschung. Sie hat dann erkannt, dass seine Theorie keine Substanz hat, und auf Zirkelschlüssen beruht, in etwa folgendermaßen: Unter der Grundannahme, dass die Bibel ein fehlerhaftes Buch ist, zeigen wir auf, dass sie lauter Fehler enthält. Schon Wahnsinn, dass man unter dieser Annahme zu dieser Schlussfolgerung kommt! In ihren Büchern entmythologisiert sie praktisch die historisch-kritische Theologie, und gibt zahlreiche Beispiele ihrer Substanzlosigkeit. Ihre Bücher sind im VTR-Verlag kürzlich neu aufgelegt worden, und auch auf YouTube gibt es einige Vorträge von ihr.

Arten von Fehlern und Widersprüchen

Also, welche Arten von angeblichen Fehlern in der Bibel sind überhaupt vorstellbar? Zum einen kann es Fehler geben, die zu Schwierigkeiten mit Bereichen außerhalb der Bibel führen, zum Beispiel aus Wissenschaft und Philosophie. Diese Fälle vertagen wir erst einmal. Ihr könnt gerne Kommentare mit Themenwünschen dalassen, aber es kann ein paar Monate dauern bevor ich Videos darüber mache.

Zum anderen kann es innere Widersprüche geben, also Texte, die den Eindruck erwecken, als würden sie anderen Texten der Bibel widersprechen. Um solche inneren Widersprüche geht es in dieser Serie. Im nächsten Teil legen wir mit den unterschiedlichen Ahnentafeln von Jesus los.

Ich bevorzuge allerdings das Wort „Schwierigkeiten“, weil es sich eigentlich nicht um richtige Widersprüche oder Fehler handelt. Ein richtiger echter Widerspruch liegt nur dann vor, wenn zwei Aussagen dem Sinn nach nicht beide gleichzeitig wahr sein können. Also bei jedem Paar von Schwierigkeiten (oder Triple / Quadrupel) fragen wir uns, sind Umstände denkbar, unter denen alle Aussagen gleichzeitig dem Sinn nach wahr sein können?

Ganz wichtig dabei ist, dass diese möglichen Umstände nicht notwendigerweise die tatsächlichen Umstände der jeweiligen Episode beschreiben. Die Ereignisse in den biblischen Texten sind teilweise so stark komprimiert, dass viele Stunden, Tage oder sogar Jahre in wenigen Sätzen zusammengefasst sind. Wir haben dann gar nicht genügend Informationen, um alle Einzelheiten zu rekonstruieren. Wenn mehrere Passagen von verschiedenen Autoren über dasselbe Ereignis berichten, zum Beispiel in den vier Evangelien, dann geschieht das meist aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Der Cold Case Ansatz

Das reicht in der Regel aber nicht aus, um das Ereignis zu 100% zu rekonstruieren. Aber das braucht es auch nicht. Es genügt, ein hypothetisches Ereignis zu konstruieren, in das alle biblischen Versionen dieses Ereignisses widerspruchsfrei eingebettet werden können.

Cold Case Ermittler Jim Wallace war überzeugter Atheist. Er hat die Texte der Evangelien nach kriminalistischer Methodik untersucht, und festgestellt, dass sie die gleichen Merkmale besitzen wie unabhängige Augenzeugenberichte, die er aus seinem Berufsalltag kennt. Verschiedene Sichtweisen und Schwerpunkte, aber Beschreibungen der gleichen Ereignisse. Solche Schwierigkeiten sind also etwas, was wir erwarten dürfen und müssen. Würden sie fehlen, dann wäre das ein Indiz dafür, dass die Texte frisiert sind. Dadurch, dass sie aber vorhanden sind, bestätigen sie die Authentizität der biblischen Überlieferung.

Jim hat sich davon überzeugen lassen. Heute ist er gläubiger Christ, schreibt viele Bücher, und reist weltweit zu Gemeinden und Veranstaltungen, und hält Vorträge darüber, wie ihn der Cold Case Ansatz überzeugt hat, dass der christliche Glaube wahr ist.

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