Noahs Flut – Wissenschaftlich unmöglich?
Vor einigen Wochen war ich mit ein paar Freunden aus meiner Gemeinde in Münster im Bibelmuseum. Eigentlich hatte ich gehofft, von den griechischen Manuskripten dort ein paar Aufnahmen zu machen, für ein Video über Textkritik. Stattdessen gab es eine Sonderausstellung über Wasser in der Bibel, und ein großer Teil davon ging über Noahs Flut. Ist also Noahs Flut wissenschaftlich gesehen möglich?
Der nette Museumsführer hat extra noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich bei der biblischen Fluterzählung lediglich um ein Nachfolgewerk des Gilgamesch-Epos handelt, und dass alle Versuche, die Flut wissenschaftlich zu erklären, auf die eine oder andere Art gescheitert sind. Herausforderung akzeptiert!
Eine globale Flut?
Stellt Euch also vor, dass es nicht nur einen Tag regnet, sondern dass 40 Tage hintereinander ein Niederschlag von 20 Zentimetern runterprasselt. Das sind dann flächendeckend 8 Meter Niederschlag. Und das soll die höchsten Berge der Welt bedeckt haben… Hatte der Museumsführer eventuell doch Recht? Schauen wir in den Text.
Im sechshundertsten Lebensjahr Noahs, im zweiten Monat, am siebzehnten Tag des Monats, an diesem Tag brachen alle Quellen der grossen Urflut auf, und die Fenster des Himmels öffneten sich. Und der Regen strömte auf die Erde, vierzig Tage und vierzig Nächte lang. An eben diesem Tag gingen Noah, die Söhne Noahs Sem, Ham und Jafet, die Frau Noahs und mit ihnen die drei Frauen seiner Söhne in die Arche. Sie und alle Wildtiere nach ihren Arten, alles Vieh nach seinen Arten und alle Kriechtiere, die sich auf der Erde regen, nach ihren Arten und alle Vögel nach ihren Arten, alles, was fliegt, was Flügel hat: die gingen zu Noah in die Arche, je zwei von allem Fleisch, das Lebensatem in sich hat. Und die hineingingen, waren je ein Männchen und ein Weibchen von allem Fleisch, wie Gott es ihm geboten hatte. Und der HERR schloss hinter ihm zu.
Da kam die Sintflut vierzig Tage lang über die Erde. Und das Wasser stieg und hob die Arche, so dass sie hoch über der Erde schwamm. Und das Wasser schwoll an und stieg gewaltig auf der Erde, und die Arche trieb auf dem Wasser dahin. Das Wasser aber schwoll immer mächtiger an auf der Erde, so dass alle hohen Berge, die unter dem ganzen Himmel sind, bedeckt wurden. Fünfzehn Ellen darüber hinaus schwoll das Wasser an, so dass die Berge bedeckt wurden.
Da kam alles Fleisch um, das sich auf der Erde regte, Vögel, Vieh, Wildtiere und alles, was auf der Erde wimmelte, auch alle Menschen. Alles, was Leben atmete, was auf dem Trockenen lebte, starb. So vertilgte er alle Wesen, die auf dem Erdboden waren, Menschen, Vieh, Kriechtiere und die Vögel des Himmels, sie wurden vertilgt, von der Erde weg. Übrig blieb nur Noah und was mit ihm in der Arche war. Das Wasser aber schwoll an auf der Erde, hundertfünfzig Tage lang. (Genesis 7,11-24)
Fünfzehn Ellen über den höchsten Bergen, also über Mount Everest, das ist die Behauptung. Also 8848 Meter plus ca. 7,50 Meter über die ganze Erde.
Lebensspanne der Erzväter
Zuvor noch eine ganz kurze Bemerkung zu Noahs Lebensspanne. Da steht, dass Noah 600 Jahre alt war. Die Lebensspannen der Erzväter werde ich in einem späteren Beitrag genauer unter die Lupe nehmen. Aber eines schon mal vorweg: man muss den Text nicht einmal uminterpretieren um zu erkennen, dass Noah eine ganz normale Lebensspanne hatte, wie jeder andere Mensch auch. Was es zu ergründen gilt ist, was ein bronzezeitlicher Bewohner von Mesopotamien versteht, wenn er eine Erzählung hört über einen 600 Jahre alten Mann. Der Bewohner von Mesopotamien bekommt dann nämlich nicht die Idee, dass die Erzählung über jemanden geht, der 600 Geburtstage hinter sich hat. Und das lässt sich durch archäologische Funde belegen.
Ich spare mir mal auszurechnen, welche Menge Wasser nötig wäre, um die Erde bis 8855,5 Meter mit Wasser zu befüllen. Es sollte klar sein, dass eine wissenschaftliche Betrachtung von dieser These keinen Sinn macht.
Oder eine lokale Flut?
Der Schlüssel liegt vielmehr in zwei hebräischen Wörtern. Zum einen das Wort „Eretz“. Die Israelis nennen bis heute ihr Land „Eretz Yisrael“. Das Land Israel. Überall im Text, wo das Wort „Eretz“ steht, ist es aber im Deutschen mit „Erde“ übersetzt.
Im Althebräischen gibt es nur sehr wenige Wörter, weniger als 9000 insgesamt. Jedes Wort hat mehrere Bedeutungen, und meist kann man aus dem Kontext erschließen, welche Bedeutung die richtige ist. In unserem Noah-Text ist das aber nicht sofort klar. Ist es das Land, oder die ganze Erde, die überflutet wurde?
Schauen wir ein zweites Wort an: „Har“. Das bedeutet Berg oder Hügel. In der Offenbarung ist von Harmageddon oder Armageddon die Rede, wo in der Endzeit der Antichrist in der letzten großen Schlacht geschlagen wird. Und das ist nicht in Megiddo, was oft behauptet wird. Megiddo ist eine Ebene zwischen Galiläa und Samaria, aber Har-Mageddon ist ein Berg oder ein Hügel.
Das Wort „Har“ ist im Noah-Text durchgängig mit Berg übersetzt, und nicht mit Hügel. Schauen wir den Text noch einmal an, jeweils mit der zweiten Bedeutung der beiden Wörter:
Im sechshundertsten Lebensjahr Noahs, im zweiten Monat, am siebzehnten Tag des Monats, an diesem Tag brachen alle Quellen der grossen Urflut auf, und die Fenster des Himmels öffneten sich. Und der Regen strömte auf das Land, vierzig Tage und vierzig Nächte lang. An eben diesem Tag gingen Noah, die Söhne Noahs Sem, Ham und Jafet, die Frau Noahs und mit ihnen die drei Frauen seiner Söhne in die Arche. Sie und alle Wildtiere nach ihren Arten, alles Vieh nach seinen Arten und alle Kriechtiere, die sich auf dem Land regen, nach ihren Arten und alle Vögel nach ihren Arten, alles, was fliegt, was Flügel hat: die gingen zu Noah in die Arche, je zwei von allem Fleisch, das Lebensatem in sich hat. Und die hineingingen, waren je ein Männchen und ein Weibchen von allem Fleisch, wie Gott es ihm geboten hatte. Und der HERR schloss hinter ihm zu.
Da kam die Sintflut vierzig Tage lang über das Land. Und das Wasser stieg und hob die Arche, so dass sie hoch über dem Land schwamm. Und das Wasser schwoll an und stieg gewaltig auf dem Land, und die Arche trieb auf dem Wasser dahin. Das Wasser aber schwoll immer mächtiger an auf dem Land, so dass alle hohen Hügel, die unter dem ganzen Himmel sind, bedeckt wurden. Fünfzehn Ellen darüber hinaus schwoll das Wasser an, so dass die Hügel bedeckt wurden.
Da kam alles Fleisch um, das sich auf dem Land regte, Vögel, Vieh, Wildtiere und alles, was auf dem Land wimmelte, auch alle Menschen. Alles, was Leben atmete, was auf dem Trockenen lebte, starb. So vertilgte er alle Wesen, die auf dem Boden des Landes waren, Menschen, Vieh, Kriechtiere und die Vögel des Himmels, sie wurden vertilgt, von dem Land weg. Übrig blieb nur Noah und was mit ihm in der Arche war. Das Wasser aber schwoll an auf dem Land, hundertfünfzig Tage lang.
Das hört sich schon gleich ganz anders an. Dass in Mesopotamien nach 40 Tagen Dauerregen alle Hügel im Land unter Wasser lagen, das ist komplett im Bereich des Möglichen. Die Erzählung ist aus der Perspektive von Noah übermittelt. Wenn er in alle Richtungen nichts als Wasser sah, dann macht die Aussage Sinn, dass das ganze Land, und alle Hügel unter dem ganzen Himmel unter Wasser lagen, soweit Noah halt blicken konnte.
Einspruch: Aber die Arche ist auf dem Berg Ararat gelandet
Das ist höher als die höchsten Hügel in Mesopotamien.
Haltet Euch bereit für einen Mandela-Effekt. Die Arche ist nicht auf dem Berg Ararat gelandet.
Am siebzehnten Tag des siebenten Monats setzte die Arche auf dem Gebirge Ararat auf. (Genesis 8,4)
Am siebzehnten Tag des siebenten Monats setzte die Arche auf dem Gebirge Ararat auf. Auf dem Gebirge, nicht auf dem Berg. Der Berg Ararat ist lediglich der höchste Berg in diesem Gebirge.
Außerdem handelt es sich bei den Mose-Büchern um frühe bronzezeitliche Texte. Ob das heutige Gebirge Ararat in der Türkei damals schon so hieß, oder ob es irgendwann in den letzten 4000 Jahren nach dem Gebirge in der Flut-Erzählung so benannt wurde, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Möglicherweise hieß in der Bronzezeit eine ganz andere Hügellandschaft in Mesopotamien Ararat. Genauere geographische Details, die uns ermöglichen, das Gebirge Ararat zu identifizieren, gibt der Text jedenfalls nicht her.
Und auch der angebliche Fund der Arche auf dem Berg Ararat ist nichts als eine Felsformation, die grob die Form eines Schiffes hat.
Lokale Flut in Mesopotamien
In Mesopotamien sind allerdings archäologische Funde gemacht worden, die eine massive Flut belegen. Die Schlammschicht, die an vielen Stellen in Mesopotamien entdeckt wurde, hat eine Dicke von 2,5 Metern. Ob das die Schlammschicht von Noahs Flut ist, oder von einer späteren unabhängigen Flut, lässt sich nicht genau klären. Das hängt damit zusammen, dass sich die Datierung der Flut als notorisch schwierig erweist. Es ist nämlich nicht damit getan, einfach die Lebensspannen der Erzväter aufzuaddieren. Zum einen waren die Lebensspannen eben nicht mehrere hundert Jahre, aber andererseits sind die frühen Stammbäume sehr stark zusammengestaucht, und beinhalten nur eine ganz kleine Auswahl von Stammvätern, z.B. diejenigen, die ein Volk gegründet haben. Denn sonst würde man, wenn man alles zusammenzählt, auf ein Datum von ca. 4000 v. Chr. Für die Erschaffung von Adam kommen, also eine Zeit, zu der sich die Menschen schon überall auf der Erde verteilt hatten.
Die hebräischen Texte lassen sich jedenfalls auch so übersetzen, dass nicht jeweils ein Vater einen Sohn zeugt, sondern ein Volk ein anderes Volk hervorbringt. Das sind wieder die unterschiedlichen Bedeutungen, die die einzelnen althebräischen Wörter haben.
Datierung der Flut
Aus dem Kontext wissen wir jedoch, dass die Flut alle Menschen bis auf die acht in der Arche tötete. Gott rettete ganz explizit nur Noah und seine Familie. Das heißt, die Flut muss stattgefunden haben, bevor die Menschheit begann, sich über die gesamte Erde zu verbreiten, als alle auf einem Knubbel hockten. Ganz grob zwischen 40000 und 85000 Jahren könnte man die Flut datieren.
Ein ganz gewaltiges Indiz dafür, dass diese Flut tatsächlich geschah, sind die Fluterzählungen, die es in nahezu jeder Kultur gibt. Manchmal hört man die Begründung, weil es global Fluterzählungen und Mythen gibt, muss auch die Flut global gewesen sein. Aber ich argumentiere hier ja für eine lokale Flut. Aber wenn man drüber nachdenkt, dann sind die globalen Erzählungen ein Indiz für eine lokale Flut. Wenn die Menschen nach der Flut diese Erzählung in ihre jeweilige Kultur übernahmen, während sie die Erde besiedelten, dann ist es erklärbar, dass es praktisch überall diese Erzählung gibt, mit kleineren oder größeren Abweichungen.
Einspruch: Überflutungen geschehen weltweit immer mal wieder
Diese ganzen Fluterzählungen sind unabhängig voneinander, und beschreiben separate Ereignisse in den jeweiligen Kulturen.
Das ist der häufigste Einspruch gegen das Indiz der globalen Fluterzählungen. Aber betrachtet es mal so: Flutkatastrophen geschehen überall immer mal wieder. Erdbeben geschehen überall immer mal wieder. Sonnenfinsternisse geschehen überall immer mal wieder. Vulkanausbrüche auch, und Dürren auch, und jede andere Naturkatastrophe und jedes andere Naturereignis auch. Wir haben etwa 200 Fluterzählungen überall in der ganzen Welt verstreut. Die meisten von denen beschreiben eine Gottheit, die die Flut als Strafe bringt, und die meisten beschreiben ein Schiff, durch das die Menschheit vor dem Aussterben bewahrt wird.
Wo sind die 200 Erdbeben-Erzählungen? Wo sind die 200 Vulkanausbruch-Erzählungen, oder Sonnenfinsternis-Erzählungen, die alle solche klaren Parallelen aufweisen? Es gibt sie nicht. Nur für die Flut gibt es das.
Welche Fluterzählung ist original?
Aber woher wissen wir, dass die biblische Flutgeschichte die richtige ist, und andere nicht, wie z.B. das Gilgamesch-Epos? Es sollte klar sein, dass wir für eine Erzählung, die vor mindestens 40000 Jahren stattfand, keine felsenfesten Beweise oder Belege auftreiben können. Aber ein paar Indizien gibt es schon. Fangen wir mit der Behauptung unseres Museumsführers an, dass das Gilgamesch-Epos älter ist, und daher eine Erzähl-Vorlage zur biblischen Fluterzählung darstellt.
Das Gilgamesch-Epos ist super alt, datiert auf 2100 v. Chr. Es ist das älteste literarische Werk, welches uns erhalten ist. Wenn es das älteste Werk ist, wie kann es also nicht den Urspruch der Fluterzählung aus der Bibel bilden? Ganz einfach: Tafel XI, die die Fluterzählung enthält, wurde ca. im 7. Jahrhundert zu dem Epos hinzugefügt. Bei allen älteren Funden fehlt diese Tafel.
Wir müssen also nur noch zeigen, dass die Mose-Bücher älter sind als 700 v. Chr., und die Behauptung ist widerlegt. Dies ist im Beitrag „10 archäologische Funde, die das Alte Testament belegen“ geschehen.
Probleme mit dem Gilgamesch-Epos
Außerdem schauen wir uns mal die Maße der Arche von Gilgamesch an. Es ist angegeben, dass die Länge, Breite und Höhe exakt gleich sind. Die Arche von Gilgamesch ist also ein perfekter Kubus, und damit absolut nicht seetauglich. Die Maße von Noahs Arche beschreiben hingegen eine Kastenform. Viele Konstrukteure von Schiffen haben sich damit beschäftigt, und es besteht Konsens, dass die Maße wie in der Bibel angegeben ein in hohem Maße seetaugliches Schiff beschreiben.
Wenn die Fluterzählung wahr ist – und die Masse an verschiedenen Erzählungen lässt eigentlich keinen anderen Schluss zu, dann muss die ursprüngliche Erzählung notwendigerweise die korrekten Maße für das Schiff angeben. Eine Erzählung andererseits mit einem Kubus, der bei der ersten Welle zerbrechen würde, kann nicht die Ursprungerzählung sein. Ein Schiff, das nicht absolut seetauglich ist, hätte die Sintflut damals nicht überstanden. Und die biblische Erzählung ist die einzige, die diese Anforderung erfüllt, und damit der einzige Kandidat für die Ursprungserzählung.
Ich hoffe diese Ausführungen waren hilfreich. Die Fluterzählung ist ja eine der Geschichten, die für viele die Bibel unglaubwürdig macht, oder so manchen Christen sogar zum Zweifeln bringt. Ich hoffe, ich konnte zeigen, wenn man das Ereignis als lokale Flut versteht, dass das die Grundlage für alle Zweifel entzieht.
Oder andersherum: Wenn es vor 40000 bis 85000 Jahren eine lokale Flut in Mesopotamien gab, die alle Menschen bis auf acht tötete, was würden wir erwarten heute noch zu finden? Doch genau das, was wir haben: eine komplett glaubwürdige Überlieferung in Gottes inspiriertem Wort, sowie abweichende, teilweise unglaubwürdige Mythen in zahlreichen anderen Kulturen. Und den einen oder anderen archäologischen Nachweis, dass es in Mesopotamien zu so einer massiven Überflutung kam.
Quelle: Hugh Ross, The Genesis Question u.a.