Der Atheismus ist Opium des Volkes
Das ist Karl. Karl hat ein Problem mit Religion. Karl sagt:
Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
Karls Idee hat die Menschen so begeistert, dass es geflügelte Worte geworden sind, und viele Menschen heute Religion und „Opium des Volkes“ gleichsetzen. Religion benebelt, macht abhängig, ist eine Illusion, und vertröstet auf das Jenseits.
Google findet mehr als eine Million Ergebnisse zu dem Thema. Also sollten wir es nicht ignorieren.
Die christliche Standardantwort ist, dass der christliche Glaube keine Religion ist, sondern eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Dies ist jedoch ein falsches Dilemma. Der christliche Glaube ist sowohl eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus als auch eine Religion. Denn er beinhaltet die typischen Elemente einer Religion: regelmäßige Treffen zu Gottesdiensten, Anbetung eines Gottes, religiöse Feste, Singen von Liedern. Die Schulfächer heißen evangelische und katholische Religion. Und wenn ein Christ nach seiner Religion gefragt wird, gibt er normalerweise das Christentum an. Karl Marx kritisiert gezielt das Christentum. Den Begriff der Religion umzudefinieren, und so zu tun, als ob es uns nichts angeht, ist daher kontraproduktiv. Wir wollen der Kritik nicht ausweichen, sondern uns stellen.
Not und Elend und das Christentum
Karl Marx behauptet, dass die Religion, insbesondere die christliche Religion, das Volk von Elend und Not ablenkt, und auf das Jenseits vertröstet. Not und Elend hat es in der gesamten Menschheitsgeschichte gegeben, bis heute. Wenn Marx mit seiner Kritik also Recht hat, dann ist sie nicht begrenzt auf seine eigene Zeit, zu der die Arbeiterschicht unterdrückt wurde. Zu anderen Zeiten litten und leiden andere Personengruppen Not.
Marx erkannte richtig, dass der christliche Glaube die Hoffnung auf ein Jenseits ohne Not und Elend mit sich bringt. Er ignoriert aber, dass die Christen seit jeher nicht nur Gottes Wort verkündet haben, sondern sich ebenso immer tatkräftig dafür eingesetzt haben, dass hier im Diesseits die Menschen aus Not und Elend herausgeholt werden.
Aber sei es drum. Denn das ist nicht der größte Irrtum von Marx. Viel gravierender ist die Tatsache, dass seine Kritik nur dann funktioniert, wenn der christliche Glaube nicht wahr ist, es den christlichen Gott also nicht gibt. Er geht a priori davon aus, dass der christliche Glaube falsch ist.
Wenn es Gott nicht gibt, dann ist die christliche Religion Opium des Volkes
Damit hätte er recht. Wenn es Gott nicht gibt, dann wäre seine Kritik gerechtfertigt. Aber Marx geht auf den Wahrheitsgehalt der christlichen Religion überhaupt nicht ein. Er macht keine Aussage darüber.
Aber was ist, wenn der christliche Glaube wahr ist? Welche Auswirkungen hat das auf die Argumentation von Marx? Die christliche Religion lenkt dann keineswegs mehr vom diesseitigen Elend ab, weil das jenseitige ewige Leben genau so real ist wie das diesseitige Leben.
Der Atheismus andererseits ignoriert das Jenseits. Er lenkt vom Jenseits ab, wo es für Atheisten nur Not und Elend gibt, oder wie die Bibel es ausdrückt, Heulen und Zähneklappern (Matthäus 8:12). Der Atheismus vertröstet das Volk aufs diesseits. Er vermittelt dem Volk die Illusion, als ob das Diesseits die einzige Realität wäre.
Wenn der christliche Glaube wahr ist, dann ist der Atheismus Opium des Volkes
Das ist Ludwig. Ludwig ist ein Freund von Karl. Auch er hat ein Problem mit Religion. Er entwickelte die sogenannte Projektionstheorie. Das ist die Annahme, dass Gott die Projektion menschlicher Wünsche und Bedürfnisse ist.
Auch Ludwig Feuerbach geht a priori davon aus, dass der christliche Glaube falsch ist. Auch seine Religionskritik impliziert die Bedingung, dass es Gott nicht gibt.
Wenn der christliche Glaube falsch ist, dann ist Gott eine Projektion menschlicher Wünsche und Bedürfnisse
Wenn die Vorbedingung stimmen würde, dann hätte Feuerbach Recht. Dann wäre seine Kritik berechtigt. Aber auch Feuerbach betreibt keine Wahrheitsfindung über seine implizierte Bedingung, dass der christliche Glaube falsch ist. Er lässt das einfach ungeprüft in seine Kritik mit einfließen.
Aber was ist, wenn der christliche Glaube wahr ist, und wir wenden Feuerbachs Projektionstheorie an?
Dann werden menschliche Wünsche nicht mehr auf Gott projiziert, sondern auf den Atheismus. Die Menschen, die sich Gott nicht unterordnen wollen, die ihr eigener Herr sein wollen, die nicht akzeptieren wollen, dass sie Geschöpfe sind, und in Rebellion gegen ihren Schöpfer leben, für die Menschen bietet der Atheismus eine ausgezeichnete Projektionsfläche.
Argumente, die mit unbewiesenen Prämissen arbeiten, sind an sich schon mit Vorsicht zu genießen. Aber wenn man die Prämisse ändert, und dieselben Argumente dann plötzlich ins Gegenteil ausschlagen, und die These stützen, gegen die sie ursprünglich aufgestellt wurden, dann kann mit diesen Argumenten ganz arg etwas nicht stimmen – auch wenn sie von weltberühmten Philosophen stammen. Denn auch Philosophen sind nicht davor geschützt, ein Hirngespinst zu projizieren.
Eines sollte nun klar geworden sein. Wenn der christliche Glaube wahr ist, dann gilt folgendes:
- Der Atheismus ist Opium des Volkes.
- Der Atheismus ist eine Projektion menschlicher Wünsche.