Karfreitag, Samstag, Ostersonntag: drei Tage und drei Nächte???
In den letzten Wochen habe ich in den Sozialen Netzen vermehrt Einwände gesehen, dass zwischen der Kreuzigung am Karfreitag und der Auferstehung am Ostersonntag ja gar keine drei Tage und drei Nächte vergangen sind, und daher ein Widerspruch in der Bibel vorliegt. Schauen wir, ob an dieser Behauptung etwas dran ist.
Jesus wurde am Karfreitag gekreuzigt und ins Grab gelegt. In der Nacht zum Samstag war er im Grab. Am Samstag war er noch im Grab. In der Nacht zum Ostersonntag stand er von den Toten auf, und am Sonntag war das Grab leer.
Wenn man nachzählt, sind das weniger als zwei Tage und weniger als zwei Nächte.
Dem entgegen stehen Jesu Worte in Matthäus 12:39-40.
„Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und ihm wird kein Zeichen gegeben werden ausser dem Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona im Bauch des Fisches war, drei Tage und drei Nächte, so wird der Menschensohn im Schoss der Erde sein, drei Tage und drei Nächte.“
Einige versuchen die Sache zu retten, indem sie die Kreuzigung auf Gründonnerstag oder sogar auf den Mittwoch verschieben. Aber das führt dazu, dass es dann an anderen Stellen nicht mehr passt. Die Schwierigkeit lässt sich lösen, wenn wir untersuchen, was mit „drei Tagen und drei Nächten“ gemeint ist. Die Zählweise von Tagen ist nämlich im Deutschen exklusiv, und im Hebräischen inklusiv.
Ein Beispiel, dass inklusives Zählen keine Sache ist, die wir Christen uns ausgedacht haben, um den Widerspruch erklären zu können:
Ich war viele Jahre im Missionsdienst in Kambodscha. Angenommen, ein Kambodschaner fragt mich auf Kambodschanisch, wie viele Geschwister ich habe. Ich habe eine Schwester. Meine Antwort ist also: zwei . Kein Scherz. Meine Schwester und ich, das sind zwei Personen. Also antworte ich „zwei Personen“.
Die antiken Hebräer haben also Tage und Nächte gezählt, wie heute die Kambodschaner Personen zählen, nämlich inklusiv. Und dafür gibt es Belege, und zwar jedes Mal, wenn in der Bibel Tage und Nächte gezählt werden.
Zum Beispiel im Buch Esther. „Geh, versammle alle Juden, die in Schuschan zu finden sind, und fastet um meinetwillen: Drei Tage lang sollt ihr nichts essen und nichts trinken, weder in der Nacht noch am Tag. Ebenso werde auch ich mit meinen Dienerinnen fasten. Danach aber werde ich zum König hineingehen, auch wenn es nicht dem Gesetz entspricht.“ (Esther 4:16)
Die Aufforderung ist klar. Das Fasten soll drei Tage und drei Nächte dauern. Aber nach zwei Nächten und weniger als drei vollen Tagen geschieht folgendes.
„Und am dritten Tag kleidete Ester sich königlich und stellte sich in den Innenhof des Hauses des Königs, dem Haus des Königs gegenüber, während der König auf seinem königlichen Thron im königlichen Haus sass, dem Eingang des Hauses gegenüber. Und Ester näherte sich und berührte die Spitze des Zepters.“ (Esther 5:1-2)
Ein weiteres Beispiel aus dem Lukasevangelium. Als Johannes der Täufer beschnitten wurde, heißt es, „Und es geschah am achten Tag, dass sie kamen, um das Kind zu beschneiden und ihm den Namen seines Vaters Zacharias zu geben.“ (Lukas 1:59)
Andererseits, als Jesus beschnitten wurde, heißt es, „Und als acht Tage vorüber waren und er beschnitten werden sollte, da wurde ihm der Name Jesus gegeben.“ (Lukas 2:21).
Neugeborene Jungen wurden am achten Tag nach der Geburt beschnitten. Nach inklusiver Zählweise waren am achten Tag bereits acht Tage vorüber.
Damit noch einmal zurück zu den drei Tagen und drei Nächten im Grab. Die Zählung geschieht nach demselben Prinzip. Nacht und Tag sind jeweils eine Einheit. Der erste Tag und die erste Nacht sind der Karfreitag. Der zweite Tag und die zweite Nacht sind der Samstag. Der dritte Tag und die dritte Nacht sind der Ostersonntag. Damit sind nach inklusiver Zählweise, und nach antikem hebräischem Verständnis, die drei Tage und drei Nächte vorüber, auch wenn Jesus absolut gesehen deutlich weniger als 72 Stunden im Grab war. Kein Widerspruch.
Quelle: Defending Inerrancy