Der kosmologische Gottesbeweis
Meine erste Begegnung mit Gottesbeweisen hatte ich in der Oberstufe im Religions-Grundkurs, einschließlich Vorbereitung zur mündlichen Abi-Prüfung. Der kosmologische Gottesbeweis ist einer der bekanntesten Gottesbeweise.
Gottesbeweise
Meine Begeisterung für Gottesbeweise hielt sich zur Schulzeit stark in Grenzen. Ich war der Ansicht, dass Gott sich nicht logisch beweisen lässt. Gottesbeweise waren für mich ein gedankliches Konstrukt, das nichts mit der Realität zu tun hat, da sie ein Objekt oder ein Wesen mit bestimmten Eigenschaften definieren, und dies dann Gott nennen. Sie definieren Gott sozusagen in die Existenz hinein.
Inzwischen weiß ich, dass ich damals zu kurz gedacht habe. Die Gottesbeweise zeigen auf, dass es in der Realität ein „etwas“ mit gewissen Eigenschaften geben muss, also ein Objekt oder ein Wesen. Und es ist nicht so, dass Gott dann als dieses „etwas“ definiert wird, sondern dass Gott und dieses „etwas“ in vielen Eigenschaften und Merkmalen übereinstimmen. Das ist kein mathematischer oder wissenschaftlicher Beweis für die Existenz Gottes. Aber wenn das „etwas“, dessen Existenz bewiesen wird, nicht Gott ist, dann ist der Atheist in Erklärungsnöten, eine Alternative zu liefern, wer oder was dieses „etwas“ ist.
Eine Anmerkung vorweg: Die Gottesbeweise beweisen nicht den christlichen Gott. Sie beweisen einen monotheistischen Gott, da es keine zwei Wesen geben kann, die beide die gezeigten Eigenschaften haben. Aber dies ist ja erst der zweite Beitrag in einer Serien von insgesamt zwölf. Es folgen noch zwei weitere Beiträge mit Gottesbeweisen, aber nicht alle dieselben, die normalerweise im Abitur behandelt werden. Es gibt noch wesentlich mehr Gottesbeweise als nur diese drei. Die dann noch fehlen kommen vielleicht irgendwann später.
Die Geschichte des kosmologischen Gottesbeweises
Der kosmologische Gottesbeweis basiert auf der Idee des unbewegten Bewegers von Aristoteles. Aristoteles hat es aber nicht als Beweis für die Existenz Gott formuliert. Das hat zuerst der arabische Mathematiker al-Kindi getan. Das ist der gleiche al-Kindi, der auch unser gebräuchliches arabisches Ziffernsystem nach indischem Vorbild entwickelte.
Im Mittelalter ist der kosmologische Gottesbeweis dann durch Thomas von Aquin unter den Christen populär gemacht worden. Heute ist der Philosoph William Lane Craig derjenige, der hauptsächlich zur Forschung über den kosmologischen Gottesbeweis beiträgt. Er formuliert den Beweis folgendermaßen:
- Alles, was begann zu existieren, hat eine Ursache.
- Das Universum begann zu existieren.
- Also hat das Universum eine Ursache.
Es ist sofort klar, wenn die beiden Bedingungen (1) und (2) wahr sind, dann ist auch die Schlussfolgerung (3) wahr, und wir können uns überlegen, welche Eigenschaften und Merkmale diese Ursache haben muss.
Alles, was begann zu existieren, hat eine Ursache
Aber zuerst zu (1). „Alles, was begann zu existieren, hat eine Ursache.“ Das ist eine empirische Beobachtung. Kein Gegenstand, keine Person, kein Atom, aber auch keine immateriellen Dinge, kein Gedanke, kein Gefühl, keine Geschichte hat begonnen zu existieren, ohne dass dafür es eine Ursache gibt. Einer der grundlegenden Sätze der Physik ist das Kausalitätsprinzip. Es gibt keine Wirkung ohne Ursache.
Das Universum begann zu existieren
Für Bedingung (2) gibt es sowohl eine philosophische als auch eine wissenschaftliche Bestätigung. „Das Universum begann zu existieren.“ Philosophisch, wenn man annimmt, dass es vor dem heutigen Tag bereits unendlich viele Tage gegeben hat, dann hätten wir den heutigen Tag niemals erreicht. Denn wie lange hätte man warten müssen, um am heutigen Tag anzukommen? Unendlich lange!
Wissenschaftlich. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass die nutzbare Energie in einem abgeschlossenen System stetig abnimmt. Das Universum ist allerdings ein abgeschlossenes System, wenn auch ein sehr großes. Da es aber noch nutzbare Energie gibt, kann das Universum nicht unendlich alt sein. Sonst wäre alle nutzbare Energie längst aufgebraucht.
Das bekannte Einstein-Zitat über die unendliche menschliche Dummheit ist ihm anscheinend fälschlicherweise in den Mund gelegt worden worden. Er hat es so nie gesagt. Aber er war einer der ersten, die erkannt haben, dass das Universum nicht unendlich ist, also einen Anfang gehabt haben muss. Heute wissen wir, dass das Universum seinen Ursprung im Urknall hatte.
Nach allgemeinem Konsens ist der Urknall der Anfang von Raum, Zeit, Materie und Energie. Vor dem Urknall gab es nichts davon.
Das Universum hat eine Ursache
Damit ist gezeigt, dass die beiden Bedingungen wahr sind, und damit die Schlussfolgerung auch. „Das Universum hat eine Ursache.“ Aber was können wir über die Ursache für das Universum noch wissen? Da Raum, Zeit, Materie und Energie erst mit dem Urknall begonnen haben zu existieren, ist die Ursache außerhalb von Raum, Zeit Materie und Energie Sie ist also raumlos, zeitlos und immateriell. Da die Ursache zeitlos ist, hat sie auch nicht begonnen zu existieren, hat also selbst keine eigene Ursache. Es gibt keinen unendlichen Regress von Ursachen.
Die Ursache ist unglaublich mächtig, weil sie ein ganzes Universum aus dem Nichts geschaffen hat. Und sie ist intelligent und persönlich, weil es einer bewussten Entscheidung bedarf, um aus dem Zustand des absoluten Nichts ein Universum zu schaffen, das menschliches Leben ermöglicht. Das sind alles Attribute, die üblicherweise Gott zugeschrieben werden.
Falls es keinen Gott gibt, warum gibt es dann etwas?
Falls es keinen Gott gibt, warum gibt es dann etwas, und nicht nichts? Ein Gedankenexperiment. Vor dem Urknall gab es nichts, keinen Raum, keine Zeit, keine Materie, keine Energie. Dieses ganze Universum existierte nicht. Sich den Zustand des absoluten Nichts vorzustellen, ist vielleicht nicht ganz einfach. Es ist kein null-dimensionaler Raum, also ein einzelner Punkt. In so einem einzelnen Punkt hätte sich die Singularität schon befunden haben könnte, aus die der Urknall entstanden ist. Aber auch das ist Raum, wenn auch der kleinstmöglich vorstellbare, und vor dem Urknall gab es keinen Raum. Weiterhin gibt es keine Zeit, und damit auch keine Veränderung in diesem Nichts. Das lässt sich erst recht nur schwer vorstellen. Was muss also geschehen, damit sich an diesem Zustand etwas ändert, dass es also zum Urknall kommen kann? Von sich aus passiert hier gar nichts. Von nichts kommt nichts. Mit Einfluss von außen get es schon.
Der kosmologische Gottesbeweis bietet die beste Erklärung, warum sich in diesem Nichts plötzlich eine Singularität befindet, die dann in den Urknall übergegangen ist. Die Ursache ist raumlos, zeitlos, immateriell, unglaublich mächtig, intelligent und persönlich. Und der Rest ist Geschichte.